Selam Welt,
nun lebe ich bereits ein Jahr lang ohne tierische Produkte. Es ist zum Alltag geworden. Es ist nicht mehr schwer und nur noch selten muss ich irgendetwas recherchieren um sicher zu sein. Trotzdem lerne ich natürlich immer wieder dazu. Das ist wichtig. Soll und muss so. In diesem ganzen Jahr habe ich mehr für mich ganz persönlich gelernt und umgesetzt als alle vorangegangenen vegetarischen Jahre nicht. Einerseits bin ich stolz, aber es zermürbt auch. Ja, manchmal macht mich das alles mürbe. Es ist so groß. Ein vorsichtiges Thema. Ein emotionales. Als ich mich für die vegane Lebensweise entschied, machte ich das für mich ganz allein. Für mein Gewissen, meine Gesundheit. Aber ich merkte schnell, dass ich es nicht für mich allein mache. Es zieht Kreise. Viele Leute stellen Fragen. Viele Leute geben Antworten. Es kursiert. Und man teilt Verantwortung. Ich habe manchmal das Gefühl nicht nur für mich (und die Tiere, die Umwelt) entschieden zu haben, sondern auch für alle Menschen um mich herum. Veganismus ist nicht nur eine Art zu leben, das habe ich gelernt. Es ist eine Antwort, eine mögliche Konsequenz. Eine realistische Konsequenz.
Die Verantwortung die wir alle für unseren Planeten und die Mitgeschöpfe die darauf leben, haben, trägt so schwer, dass es leichter erscheint die Augen zu schließen. Und das kann ich niemandem verdenken. Die meisten Menschen wissen ungefähr was die Massentierhaltung und der heutige Umgang mit den „tierischen Ressourcen“ anrichtet. Nicht nur bezogen auf die leidenden Tiere. Doch weshalb etwas ändern? Weshalb für die eigenen Kinder, Enkelkinder und für einen selbst einstehen? Weil gegen den Strom schwimmen zu schwer erscheint. Kaum Jemand macht das. Und die die es tun, sind Ökospinner, nicht wahr? Die kann man in ihrer ethisch-korrekten Kleidung und den Parolen eh nicht ernst nehmen. Aber hör‘ doch mal genau hin was sie zu sagen haben. Was sie da genau formulieren. Und wieso das meiste richtig ist und sich dennoch Niemand darum schert. Veganer spielen zwar oftmals immer die gleiche Leier, aber nur weil man dies schon hundertfach gesehen und gehört hat, darf man es deswegen noch lange nicht ausblenden. Das Weltgeschehen sollte genug Zündstoff sein. Es geht hier um uns alle und nicht um ein paar aufmerksamkeitsgeile Ideologen, die etwas besonderes sein wollen.
Veganismus und Vegetarismus sind sicherlich keine Allheilmittel, doch weshalb nicht einfach mal probieren. Weshalb nicht einfach mal Verantwortung tragen. Die Augen öffnen. Kein Schamgefühl mehr. – Das waren Fragen die ich mir letztes Jahr stellte. Und mir hin und wieder ins Gedächtnis rufe, wie jetzt gerade. Ich will nicht mehr Schuld an Leid, Krankheit und Tod sein. Ich will so wenig Schuld wie möglich mit mir herum tragen um mich nicht mehr schämen zu müssen.
Ja, ich weiss, dass ich mit Abschicken dieses Textes vermutlich wieder kontroverse Diskussionen auslösen könnte, aber es war mir wichtig dieses Fazit für mich zu ziehen. Vielleicht findet irgendein Leser ja einen Anstoß darin irgendetwas zu ändern. Für sich selbst genau nachzudenken. Und vielleicht reicht es ja sogar um auch nur einem den Appetit auf einen Fast Food-Burger für 99Cent zu verderben. Denn im Ernst… wer glaubt wirklich, dass ein 99 Cent-Burger unter würdigen Bedingungen für Mensch und Tier hergestellt wurde? Und wer glaubt, dass das gesund ist? Ein T-Shirt für 3,99€ kann schließlich auch niemals ethisch korrekt hergestellt sein. Statt Konsum, sollte man lernen ab und an zu verzichten, damit man noch relativ guten Gewissens in das eigene Spiegelbild blicken kann. – Niemand kann perfekt sein, Niemand wird jemals komplett ethisch-korrekt in unserer westlichen Welt leben können. Aber ich möchte die Chance minimieren „zu vielen“ Menschen und Tieren auf diesem Planeten das Leben versaut zu haben. Einschließlich dem meinen. Und dem meiner Mitmenschen.
„Es ist immer möglich, jemanden aus dem Schlaf zu wecken, aber kein Lärm der Welt kann jemanden wecken, der nur so tut, als würde er schlafen.“ – J.S.-Foer
[…] Außerdem wollte ich euch ein frohes neues Jahr im Namen von ganz Ratzemiez wünschen und auf meinen kleinen Fazit-Artikel auf meinem privaten Blog aufmerksam machen. Ein Jahr vegan: Verantwortung tragen […]
Danke Erbse, ein sehr schöner, nachdenklicher Text und das wo die besinnliche Zeit doch jetzt vorbei ist 😉
Ein Satz ist mir ins Auge gesprungen: „Ich will so wenig Schuld wie möglich mit mir herum tragen um mich nicht mehr schämen zu müssen.“ Was genau meinst du hier mit schämen? Schämen vor dir selbst, vor anderen, vielleicht vor anderen, die ein „ethisch korrekteres“ Leben führen, vor Armen, vor zukünftigen Generationen? Ich finde, das ist ein interessantes Thema.
LG und ein glückliches neues Jahr (kann man wohl noch wünschen, oder?)
Amike
Hallo Amike,
danke. 🙂
Man könnte mein Schamgefühl tatsächlich als allgemein beschreiben. Ich schäme mich oder schämte mich vor mir selbst, vor den Menschen und Tieren die wegen meinem Konsum leiden mussten und müssen und ich würde mich sicherlich auch vor meinen späteren Kindern schämen, würden sie fragen weshalb die Menschheit dies und jenes macht bzw. zulässt. Und es beschämt mich, dass ich manchmal einfach wegguck(t)e anstatt etwas zu ändern.
In meinen Augen ist die Massentierhaltung (die 98% – 99% der Fleischproduktion ausmacht) einfach nur ein Armutszeugnis der Menschheit. Wir zerstören uns selbst, wenn wir das weiterhin zulassen. Und wie so oft, hat der Verbraucher das Ganze in der Hand. Es geht nicht darum komplett auf tierische Produkte zu verzichten (auch wenn ich das begrüßenswert finde), vielmehr geht es um das Stoppen des Wahnsinns, den Rattenschwanz der Massentierhaltung der gesamten Welt.
Liebe Grüße und dir auch ein frohes neues Jahr. 🙂
Erbse
ich grüße dich und natürlich danke für deinen eintrag. ich hab ja schon lange darauf gewartet. ich wünsche dir noch ein frohes und neues jahr. du bist jetzt 1 jahr vegan, herzlichen glückwunsch. diesen schritt bin ich jetzt ja in meinen 14 Jahren Vegetarier sein nicht hin bekommen. Aber dank dir und der Zombikatze hat sich meine Denke in vieler Hinsicht stark verändert und dafür möchte ich mich herzlich bei dir bedanken. Ich denke heute Abend wirds von mir auch mal wieder einen Blogeintrag geben, da mir dazu gerade viel durch den Kopf geistert.
vielleicht kein Allheilmittel, aber allemal ein Heilmittel… für die Tiere, die Umwelt, und die Gesundheit!
als es ende letzten jahres an die „aufgabe“ ging, mir zu überlegen wie nächstes jahr für mich aussehen soll, habe ich mich relativ spontan dazu entschlossen, kein fleisch und keinen fisch mehr zu essen.
meine mutter meinte, dass wir ja gar nicht so viel fleisch essen würden, aber seit der umstellung kommt da doch einiges zusammen.
jedenfalls kann ich mich schon eine woche lang vegetarier nennen (^_^).
du hast mich zu diesem schritt ziemlich inspiriert, liebe erbse. ich war auch einer dieser menschen, die einfach die augen vor den problemen verschließen, aber du hast sie mir regelmäßig wieder geöffnet und nun kann ich gar nicht mehr einfach so wegschauen.
den schritt weiter, zur veganen lebensweise, habe ich vorerst noch nicht gewagt, da ich bemerke, wie groß die umstellung für meine mutter so schon ist und dann noch zu verlangen, dass es gar keine tierische produkte mehr geben soll, das wäre zu viel.
aber wenn ich allein wohnen sollte in ein paar jahren, will ich es schon versuchen!
viele liebe grüße,
karo
Ach, ich glaub ich kann dich gut verstehen. Seit ich vegan (erst ein paar Wochen ehrlich gesagt) lebe, sind zwei meiner besten Freundinnen Vegetarerinnen geworden, eine mit Absicht auf vegan, mein Freund meinte letztens, er hätte sein Spiegelei nicht mehr essen können, mein Vater und meine Schwester, beide begeisterte Fleischesser sind doch sehr ins Grübeln geraten und streichen nach und nach verschiedene Produkte aus ihrem Speiseplan.
Irgendwie überrascht und überrumpelt mich das. Ständig werde ich irgendwas gefragt (Ist das denn ok? Was ist denn da so drin? und wieso ist Milch jetzt auf einmal schlecht? auch keinen Kuchen mehr?) Aber ich finde es auch gleichzeitig schön. Es zeigt mir, dass Menschen eigentlich wissen was los ist, es aber nur verdrängen. Aber sobald man mit der Wahrheit konfrontiert wird, fällt einem das schon schwer.
Je mehr ich lerne, desto mehr fühle ich mich wie in einer Scheinwelt. Und die muss zerstört werden 😉
Ich würde mir nur wünschen, dass sie das alle konsequent zu Ende denken, denn gerade wenn man auch um die gesundheitlichen Aspekte von tierischem Essen bescheid weiß (Ich lese gerade the China Study, fast schon ein Horrorbuch), kommt eben nocheinmal hinzu, dass man sich Sorgen um seine Lieben macht.
Schönes Zitat übrigens 🙂
Hallo Erbse,
erst einmal will ich dir sagen, dass ich es ganz toll finde, dass du durchgehalten hast und dich jetzt bereits seit einem Jahr vegan ernähst.
Dein Text, der dieses letzte Jahr reflektiert, gefällt mir sehr gut. Es hört sich platt an, aber er spricht mir quasi aus der Seele.
Ich lebe nun seit ca. 2,5 Jahren vegan und in dieser Zeit bin ich zu einem anderen Menschen geworden.
Es gab auch Zeiten, in denen ich aufgeben wollte, weil ich mir gedacht habe, dass es nichts bringt und ich die Welt alleine nicht verändern kann. Vielleicht kann ich alleine nicht unbedingt die Welt verändern, aber ich kann mich selbst verändern, glaubwürdig werden und für meine Überzeugung einstehen. Ich könnte mir nicht mehr vorstellen, keine Veganerin mehr zu sein, weil ich dann selbst nicht mehr in den Spiegel schauen könnte und mein schlechtes Gewissen, mich innerlich auffressen würde.
Ich will diese letzten Worte nutzen, um mich bei dir zu bedanken.
Vielen, lieben Dank für dein Engagement, du bewegst was und wie man hier lesen kann, regst du viele Menschen zum Nach- und manchmal sogar zum Umdenken an.
Gemeinsam werden wir die Welt verändern.
LG,
Sonja
liebe erbse,
ich denke das mit dem schämen ist ein kernpunkt dieses themas – denn im grunde geht es doch darum, ob man zu seiner seiner eigenen existenz stehen kann oder sich ihrer schämt. denn fakt ist, dass sobald ich existiere, ich raum auf der erde einnehme, nahrung für mich beanspruche, anderen lebewesen den lebensraum streitig mache. das ist für mich eine grunderkenntnis des daseins. damit bedeutet leben automatisch auch sterben, und somit leid. demnach ist es für mich eine zentrale psychologische einsicht, dass meine leidverursachung untrennbar an meine existenz gebunden ist, unumgänglich ist – und daher für mich völlig akzeptabel ist. warum? denn anders könnte ich nicht leben, müsste mich folgerichtig umbringen. dadurch, dass ich leid so grundsätzlich erstmal anders bewerte und als bestandteil des lebens anerkenne, empfinde ich das vorhaben der leidverminderung zwar als lobenswert aber auch als problematischer und weniger eindeutig positiv als du.
hoffe meine drei gedanken zu diesem thema wirken nicht allzu verwirrend, zu später stunde bin ich nicht mehr so konzentriert 🙂
eine schöne nacht, kaddi