Ein Katzenleben

Ich liege im Flur und lausche dem Telefongespräch der unansehnlichen blondgefärbten Frau, bei der ich bereits neun Jahre lebe. In dieser Ewigkeit habe ich mir viele Namen für sie und ihre Familie ausgedacht. Die Wut die mich begleitete ist verschwunden. Ich habe resigniert. Doch seit einiger Zeit weiss ich, dass sie mich loswerden wollen. Ich störe. Seit das kleine Menschenmädchen da ist, hat Niemand mehr für mich Zeit. Ich bin lästig und koste nur Geld. Mache zu viel Dreck. Kürzlich war ich für einen Tag bei einer anderen Frau, die mich aber wieder zurück brachte als sie merkte, dass ich keine Traumkatze bin. Was ist eine Traumkatze? Und nun telefoniert sie, die blonde Dicke. Sie spricht über mich. Nächsten Samstag soll ich abgeholt werden. Ich habe Angst und weiss nicht was das für mich bedeutet.

Ob ich glücklich bin? Seit vielen Monaten schon kann ich nicht mehr alleine in das Menschenbadezimmer um dort in meinem Klo mein Geschäft zu verrichten. Ich muss ihnen jedes Mal deutlich machen was ich will, damit sie die Tür für mich öffnen. Sie sagen ich mache nur Dreck und Arbeit. Sie schimpfen mich, wenn ich an einen anderen Ort mache, weil sie meine Bedürfnisse ignorieren. Warum die Tür zu ist? Das Menschenmädchen kann seit Kurzem alleine laufen und findet Spass daran mit dem Streu in meiner Toilette zu spielen und dieses zu essen. Der grobe Menschenmann sagt, ich würde nur eine Last sein. Er hasst mich. Er mag Tiere nicht. Ich soll dringend weg. Die blonde Frau mochte mich, aber ich werde ihr von Tag zu Tag gleichgültiger.

Und plötzlich ist Samstag. Es klingelt an der Tür. Zwei Menschen stehen dort. Ein Mann und eine Frau. Sie sprechen, riechen und kleiden sich ganz anders als die Menschen die ich kenne. Sie begrüßen meine Menschen. Meine Menschen. Die wiederrum mühen sich nicht, verschwinden mit mir in ein Zimmer ohne die beiden neuen Menschen und zwängen mich in eine Transportbox. Ich warte und lausche. Es geht alles ganz schnell. Meine Menschen sagen, dass sie mich nicht mehr wollen. Sie sagen, dass sie nie wieder Tiere möchten. Der neue Mann packt die Transportbox und ich werde mit hinunter getragen. In ein Automobil. Ich sitze dort in der Box auf dem Schoß der schwarzhaarigen Frau. Sie spricht ganz leise und behutsam zu mir: „Jetzt wird alles gut.“

Auf dem Weg ins Ungewisse höre ich ihre Gespräche. Sie sagen die Wohnung meiner alten Menschen hätte nach Urin gestunken und ich würde auch danach riechen. Ich schäme mich. Mir war das schon lange nicht mehr aufgefallen. Sie wunderten sich über die Wohnsituation in meinem alten Zuhause. Und sie regten sich stark über meine alten Menschen auf. Sie haben recht. Denn sie wollten nicht mal wissen wo ich hinkomme und was mit mir geschieht. Sie wollten nicht mal die Adresse wissen. Nichts über die Menschen die mich einfach mitnehmen. Sie sind froh, dass ich weg bin. Nach neun langen Jahren bin ich ganz aufgeregt und kann nicht fassen, dass ich nochmal etwas anderes zu Gesicht bekommen würde.

Nach einer langen Autoreise werde ich ein paar Treppenstufen getragen. Die Box in der ich liege, wird in einem großen gemütlichen Raum geöffnet. Die beiden Menschen warten. Aber ich traue mich nicht. Ich bin überwältigt vom Neuen. Irgendwann öffnen sie eine Tür und zwei andere Katzen kommen auf mich zu. Ich habe seit Jahren keine anderen Katzen mehr gesehen und bin ganz aus dem Häuschen. Ich atme schnell, bleibe aber an Ort und Stelle und versuche mich nicht zu rühren. Die graue Katze faucht mich an, setzt sich dann in meine Nähe und wartet. Der weißgraue Kater schnüffelt an mir und zieht sich danach einfach zurück. Ich bin verunsichert. Ich habe ein neues Zuhause. Ich habe ein neues Leben.

KategorieKatzen

von

...in meiner Wärmflasche schlafen Sterne

Kommentare 32

  1. Ach Gott nun hab ich feuchte Augen. Das hast du so schön geschrieben. Willkommen kleine Frau Kritzelkratz im neuen Leben 🙂

  2. Schön geschrieben und für diese Katze zum Glück ein Happy End welches ich allen Haustieren wünsche. Wären die Menschen doch nicht so naiv im Umgang mit anderen Lebewesen…

  3. Ich bin einfach nur erleichert, dass die Katze keine Sekunde länger bei Menschen leben musste, denen sie so unglaublich gleichgültig ist.

    Ihr habt eine gute Entscheidung getroffen… Ich wünsche ihr noch viele liebevolle Jahre bei euch. Und natürlich, dass sie sich schnell und unkompliziert einlebt.

  4. Oh, dass ist schön geschrieben. Musste sogar eben eine Trähne unterdrücken.

    Hättet ihr mal vorher erzählt, dass es sich um so einen Fall handelt.

  5. Das ist echt ein toller beitrag!Hoffe die Katze lebt sich schnell bei euch ein und fühlt sich wohl!

  6. bin total ergriffen. unsere süße maus die im september bei uns eingezogen ist stammt auch aus schlechter haltung. die halter hatten über 20 katzen plus die kitten und zogen dann um, ließen die katzen einfach in der alten wohnung 🙁 die kitten kamen dann in eine pflegestellen und von dort zog Aina zu uns 🙂

  7. Faserpiratin 5. November 2011

    Hach… Ich will auch…
    Viel Glück und schöne Zeiten mit der neuen Mibewohnerin!

  8. Das habt ihr richtig gut gemacht !
    Und wieder muß ich weinen…für die Katze, wegen der Menschen, vor Erleichterung und weil Du, liebe Erbse, einfach wundervoll schreibst.

    Alles Gute und ein schönen Neuanfang (=

  9. Hallo Kumpel,
    Dich hat es ja schlimm getroffen. Aber wir drücken dir die Pfoten und hoffen bei Bastet, dass du nun das große Los gezogen hast und nun alles schnurrig wird!

    Liebe Grüße,
    Maggie, Benji, Lola, Nemo und Caspa

    PS Unsere Menschin meint (und *psst* wir geben es ungern zu, aber sie hat – fast – immer recht: sie ist sich sicher, dass du den Jackpot gezogen hast, da der Blogbeitrag so süß war!

  10. wie schön, daß die Mieze ein liebevolles Zuhause bekommt!

    und was für ein Armutszeugnis für die Vorbesitzer! Man kann nur hoffen, dass das Kind noch so klein ist, daß es sich an dieses katastrophale Vorbild der Eltern nicht erinnert. Als mein erstes Kind auf die Welt kam, hatten wir 5 Katzen, und es wäre mir nicht im Traum eingefallen, auch nur eine davon abzugeben! Mittlerweile sind es 2 Kinder und 4 Katzen, es ist so schön, zu beobachten, wie sie gemeinsam aufwachsen und leben…

  11. Bin sehr gerührt. Ich habe selbst zwei Katzen u weiß wieviel Zuwendung und Liebe die kleinen Monster brauchen. Ich hoffe meine beiden sind glücklich bei mir.

  12. ich bin froh das die Katze ein neues zuhause gefunden hat…wobei ich sie auch gern genommen hätte schnief…nunja bei dir ist ja auch bei mir…lach

    • @marryan
      Genau 🙂 Kannst sie ja jederzeit besuchen kommen.
      Im Moment hockt sie in ihrem Katzenklo und rührt sich nicht. Ist noch ganz verschüchtert.

  13. Wunderschön geschrieben! Da geht einem das Herz auf. Ich drücke euch die Daumen, dass die Mieze sich schnell einlebt und euch viel Freude bereitet. Liebe Grüße

  14. Wie schön, dass sie jetzt bei euch ist!
    Ich hoffe, sie lebt sich schnell ein und fühlt sich dann so richtig wohl!

    Ganz liebe Grüße
    Kris

  15. Wow, diese Menschen werden dann sicher auch super Eltern werden…. Es ist mir unbegreiflich wie man ein Familienmitglied einfach abschieben kann, weil man es plötzlich als unbequem empfindet. Ich wünsche euch Alles Gute und hoffentlich wird sich die Katze bei euch oder falls sie wo anders unterkommt gut einleben.

  16. Was ist eigentlich passiert? Da sind zwei neue Dinner -eine neue Wohnung und auch noch Mitbewohner. Na-ja die neuen Dinner sind nett,aufmerksam aber die zwei Mitbewohner. Die schauen so kritisch sie sind voller misstrauen.Ich will Ihnen doch nichts wegnehmen. Klar ,ich rieche anders-ganz anders ,teilen mußte ich auch nicht –früher war das anders da wurde ich auch noch gestreichelt.Aber das ist schon lange her. Da wo ich nur einen Tag war,die Dinnerin hatte keine Geduld ——.Ich wünsche mir Vertrauen –laßt mich Zeit–laßt mich Zeit viel Zeit – denn Ich muß das neue verarbeiten .Ich möchte euch vertrauen ,Für mich ist alles neu –für Euch Nur Ich – Euer neuer Mitbewohner.

  17. Wenigstens haben sie sich entschlossen, keine neuen Haustiere mehr zu holen. Ist schon schlimm genug, wenn man nach neun Jahren ohne emotionale Regung in der Lage ist, seine Katze abzugeben.
    Ich hoffe, sie wird bei ihren neuen Mitbewohner viel glücklicher werden! 😉

  18. Da hat die Geschichte doch ein Happy End bekommen.
    Ich freue mich für die Katze und für euch

  19. Das ist wunder, wunderschön geschrieben. Ich freue mich sehr für euren neuen Mitbewohner..
    und nun würde ich gern mal wissen, was im Köpfchen meines süssen Frechdachses vorgeht.. *ihn anschiel* 🙂

  20. Ja -ich möchte auch gerne wissen wie es den neuen Mitbewohner geht.Wenn man nicht mehr der jüngste ist, wenn man so schlechte Erfahrungen gemacht hat ,wenn man neues Vertrauen aufbauen muß ist es schon schwieriger als im jugendlichen Leichtsinn.Aber ich denke –diese Katze hat den Jocker gezogen.

  21. Hallo,
    sehr sehr schön geschrieben. Manche Menschen sollten sich einfach keine Haustiere halten. Ich finde es immer unbegreiflich, dass sich manche Menschen nicht vorher überlegen, ob sie sich um das Tier kümmern können und ob sie es überhaupt wollen. Na, sie scheint es ja jetzt eindeutig besser zu haben und ich hoffe es geht ihr gut, sie lebt sich gut ein und kann ihre schlechte Vergangenheit hinter sich lassen.
    Alles Gute

  22. Wirklich ein wundervoller Beitrag!! Bin ganz gerührt!!

    Freue mich, dass die Kleine jetzt ein Zuhause hat wo sie geliebt und geachtet wird.

    LG 🙂

  23. Hatte auch Pipi in den Augen! SEUFZ! Alles, alles, alles Gute für euch und die Plüschis!

  24. Pipi in den Augen, das ist einfach sehr anrührend geschrieben!
    Ich wünsche euch allen viel Glück miteinander, von ganzem Herzen!

  25. Nathalie 9. Juni 2012

    Schön, dass es für das süße Fellknäul doch noch ein Happy End gegeben hat. 🙂

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