Wenn Spielkultur auf Kunst trifft.

Videospiele Kunst Kultur Gaming Fridericianum Kassel Images Flashback Michel Majerus 2

Videospiele Kunst Kultur Gaming Fridericianum Kassel Images Flashback Mark Leckey FlixMark Leckey, Flix

Long time no see. Und direkt zu Beginn muss ich meine gewählte Überschrift schon wieder revidieren. Videospiele sind für mich (meist) Kunst und diese müssen sich nicht erst treffen, um dann dazu zu werden, denn sie sind kulturelle Reproduktionsfläche, Ausdrucksform und gesellschaftlicher Spiegel… heutzutage mehr denn je! Trotzdem konnte ich das alles am Freitag nochmal aus einem anderen – für mich neuen – Blickwinkel betrachten, denn ich war mit Henrik und einer guten Freundin im Kasseler Fridericianum zu Gast. Flashback Shop und Fridericianum veranstalteten zusammen den „Retro-Gaming“-Abend und stellten nicht nur alte Konsolenklassiker aus, sondern luden zum Spielen, Ausprobieren und auch ein bisschen zum Feiern ein. Ich glaube, dass wir alle und besonders die Veranstalter*innen mehr als überrascht vom Andrang der Menschen waren. So viele Menschen auf einem Haufen, haben es für mich schwer gemacht länger bei den Konsolen zu verweilen, sodass ich recht schnell in die Ausstellung ging. Das macht aber gar nichts, denn ich kenne die Konsolen ja sowieso alle und lasse lieber Leuten den Vortritt, die diese nach laaaaaaanger Zeit oder gar zum ersten Mal ausprobieren möchten.

Der „Retro-Gaming“-Abend war an die „Images“-Ausstellung gekoppelt, die noch bis zum ersten Mai besucht werden kann. Ich war erstmal ziemlich überwältigt von den großen Räumlichkeiten des Fridericianums und letztlich war ich das auch von den verschiedenen ausgestellten Kunstwerken, die ich erst im Nachhinein als ich längst wieder zuhause war, richtig reflektieren konnte. Ich bin nicht oft in Kunst-Museen und viel konnte ich dem bisher nicht abgewinnen, aber die „Images“-Ausstellung hat mich dann doch regelrecht erwischt. Ich nehme an, dass ich zu digitalen Medien einfach mehr Zugang habe.
Leider hatte ich nur meine Smartphone-Kamera parat, was mich im Nachhinein etwas ärgert, aber Henrik filmte zum Glück und konnte auch mit Ann-Charlotte (Fridericianum-PR) und Julia (Flashback Shop) sprechen und ein paar Fragen los werden. Im Video sind einige der Kunstwerke zu sehen und in der Videobeschreibung auf You Tube finden sich noch ein paar Zusatzinformationen oder weiterführende Links.

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Ich will kurz ein bisschen auf die Kunstwerke eingehen, die mich am meisten gepackt haben. Letztendlich bleibt bei vielen immer wieder Raum für eigene Interpretationen, was natürlich gut und erwünscht ist. Damit die Werke aber wirken können, müsstet ihr die Ausstellung am Besten selbst besuchen. 😀

Videospiele Kunst Kultur Gaming Fridericianum Kassel Images Flashback Pierre Huyghe Two Minutes Out of Time (2)Ziemlich zu Beginn wurde ich von Annlee überrascht, die auf einer riesigen Leinwand zu sehen war und ein bisschen so wirkte, als wolle sie mit uns interagieren. Pierre Huyghe hat mit seinem Werk „Two Minutes Out of Time“ etwas aufgegriffen, über das ich, als fleißige MMORPG-Spielerin, schon oft nachgedacht habe. Annlee ist ein unscheinbarer Nebencharakter aus einem Katalog einer japanischen Designagentur. NPCs wie Annlee gibt es in beinahe allen Spielen und sie tragen dazu bei, eine Welt lebendiger oder echter erscheinen zu lassen. Aber habt ihr euch schon mal gefragt, wer diese NPCs eigentlich sind, woher sie kommen und was ihre Geschichte ist? Sie sind mitunter absolut austauschbar und ihr Zweck entsteht im jeweiligen Kontext und mit dem, was wir in sie hinein interpretieren. Das Werk schiebt einen unwichtigen Nebencharakter in die Hauptrolle und lässt diesen über sich als visuelles Produkt reflektieren. Annlee spricht: „I am haunted by your imagination.“ & „I was cheap. Designed to join any kind of story but with no chance to survive any of them.“

Videospiele Kunst Kultur Gaming Fridericianum Kassel Images Flashback Pierre Huyghe Two Minutes Out of Time (1)

Videospiele Kunst Kultur Gaming Fridericianum Kassel Images Flashback Cory Arcangel Super Mario CloudsDie beiden ausgestellten Werke von Cory Arcangel (im Video seht ihr das andere) basieren auf einem Hack. „Super Mario Clouds“ ist durch das Modifizieren von Super Mario Bros. entstanden. Alle Protagonisten und Elemente des Spiels wurden ausgeblendet und übrig bleibt der uns allen bekannte blaue Himmel und die vorbei ziehenden Wolken, die nun aus dem Kontext gerissen dargestellt sind und uns Möglichkeiten bieten davor rumzualbern oder die Sicht schlichtweg zu genießen. 🙂

Die Werke von Michel Majerus waren allesamt ziemlich beeindruckend und brachten Henrik und mich dazu am Abend, als wir längst wieder zuhause waren, noch länger darüber zu diskutieren.

Videospiele Kunst Kultur Gaming Fridericianum Kassel Images Flashback Michel MajerusAuf der anderen Seite des weißen Holzobjekts steht: „It does not really matter what things look like if one cannot see them that well anyway“
Besonders hängen geblieben ist mir aber Michel Majerus Aussage: „Not much is thrown away because there really is no place to throw it“ – Als sowas wie eine digital native fühle ich mich direkt an Internetkultur und an die Massen an (Personen-)Daten erinnert. Aber letztlich lässt sich darin noch einiges mehr lesen.

Ich zeig euch nun noch ein paar weitere Smartphone-Aufnahmen, gebündelt. Aber um die gesamte Ausstellung zu sehen und sie zu entdecken, müsstet ihr halt wirklich mal nach Kassel kommen. 🙂

Videospiele Kunst Kultur Gaming Fridericianum Kassel Images Flashback Philippe Parreno TV ChannelPhilippe Parreno, TV Channel

Videospiele Kunst Kultur Gaming Fridericianum Kassel Images Flashback Michel Majerus 2Michel Majerus, Ohne Titel

Videospiele Kunst Kultur Gaming Fridericianum Kassel Images Flashback Michel Majerus controlling the moonlight mazeMichel Majerus, ein Teil von Controlling the Moonlight Maze (Schön mit dem „Smudge-Fingertool“ über die USA-Flagge! :D)

Videospiele Kunst Kultur Gaming Fridericianum Kassel Images Flashback Michel Majerus controlling the moonlight maze 2Michel Majerus, ebenfalls ein Teil von Controlling the Moonlight Maze
Unten rechts steht:

„THE ARTWORLD IS SO SAD BECAUSE
THERE ARE THESE PEOPLE WHO MAKE
YOU FEEL LIKE YOU’RE WORTH NOTHING
OR THE OTHER WHO THINK YOU’RE A GENIOUS.
I DON’T LIKE ANY OF IT.“

Kommentare 2

  1. Das Zitat am Schluss kann ich sehr gut nachempfinden. Ein schöner Artikel und toll, dass so viele Leute da waren! Danke.

    Schade finde ich persönlich, dass Du Dir selbst einen schlechten Zugang zu nicht digitalen Medien und damit auch diesen Kunstwerken bescheinigst – und in der Folge wohl auch Vorbehalte hast öfter in Museen zu gehen? So richtig oft bin ich dort auch nicht. Mich macht es allerdings eher traurig, dass ich halt die Energie dafür nicht habe. Trotzdem wünsche ich von Herzen jedem Menschen, dass er einmal auf der Biennale in Venedig gewesen sein wird im Laufe seines Lebens. Es gibt so viel cooles Zeug (alt oder neu, digital oder analog) – es ist ein bisschen wie Ostereier finden. Wenn man sich das dabei vorstellt, macht es vielleicht ein bisschen Spaß. Und leider mangelt es einfach oft an guten Vermittlern. Das ist allerdings ein ganz anderes Thema 🙂

    Ob irgendetwas Kunst ist oder nicht oder Spielkultur außen vor ist oder nicht … Ich bin ein Freund davon große vergeistigte Fragen auf eine konkrete Ebene zu ziehen, um sie vielleicht etwas anders betrachten zu können. Sie werden dann nicht so ehrfurchteinflößend. Ich erinnere mich an eine sehr berührende Stelle in „eXistenZ“ zu NPCs. Damals empfand ich Mitleid. Vielleicht sollte ich den Film noch mal anschauen? Und ich kann mir vorstellen, dass die von Dir beschriebene Arbeit das auch ganz gut einfängt. Der Film ist von 1999 und das Werk von Pierre Huyghe von 2000. Das hat mich überrascht. Oft habe ich das Gefühl, dass Dinge sich in der Kunstwelt erst mit sehr viel Delay durchsetzen und man dann hinterher feststellt: Huch! Das war ja damals echt krass aktuell! (Vielleicht bin ich aber auch nur etwas ‚raus‘, das möchte ich nicht ausschließen.)

    Insgesamt fällt mir allerdings auf, dass es nicht gut möglich ist Kunst mit einem Medium zu machen, das man nicht wirklich kennt – und das man nicht auch irgendwo liebt. Wenn mich Farben nicht interessieren, werde ich recht wenig gute Malereien herstellen können. Und wenn ich nicht irgendwo auch Gamer bin, wird meinen Arbeiten, die sich damit befassen, ganz sicher die Tiefe fehlen. Auf der anderen Seite muss ich dem Medium, mit dem ich mich befasse, auch immer eine reflektierende Skepsis bewahren. Ich glaube, wenn ich die nicht habe, werde ich ebenfalls nicht Kunst machen können. Es braucht schon beides, um echte Tiefe und dauerhafte Qualität zu entwickeln. Aus diesem Grund tue ich mich mich sehr schwer mit Aussagen wie: Fast jedes Spiel oder Comic sind Kunst. Das ist nicht wahr. Und genauso wenig wahr ist, dass fast jedes Bild oder jede Plastik Kunst wären. Um das zu beurteilen muss man sich eben anschauen, was man vor sich hat und dann eine persönliche Entscheidung treffen. Generell ist ja ohnehin nichts im Leben 😉

    Ich grüße Dich aus Mainz und hoffe sehr, euch geht es gut.

    • Hey Mika,

      danke, dass du dir die Zeit genommen hast und deine Gedanken dazu teilst. 🙂
      Du hast das schon gut erkannt. Ich habe oder hatte wirklich ein paar Vorbehalte, die sich ganz leicht erklären lassen, denn ich hab viel zu selten Ausstellungen besucht oder mit Künstlern gesprochen bzw. mir ihre Werke genauer angesehen. Das hat sich am Freitag aber geändert. Es hat schon beinahe Klick gemacht. Kunstausstellungen können mir gefallen! Und diese Erkenntnis bewegt mich dazu, nun öfter zu solchen Veranstaltungen und Ausstellungen zu gehen.
      Ich habe mir die Zeit genommen die anderen Menschen in den Räumen und vor den Werken zu beobachten. Die meisten waren vermutlich genauso selten in Kunstmuseen wie ich. ;D Und da habe ich mich ertappt. Viele gingen an den Werken vorbei, ohne sie genauer anzusehen oder gar darüber nachzudenken was sie ausdrücken könnten. Kein Wunder also, dass sie ihnen verschlossen bleiben. Das wollte ich für mich nicht. Ich wollte etwas aus der Ausstellung für mich mitnehmen und das habe ich glücklicherweise ganz leicht geschafft. 🙂

      Beste Grüße auch an dich. 🙂 Uns geht es prima und dir hoffentlich auch?

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